Prof. Dr. Gerhard Höpp Nachruf

Publikationen

2004
- mit Peter Wien und René Wildangel (Hrsg.): Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus. (ZMO-Studien; 19) Berlin: Das Arabische Buch

- Der verdrängte Diskurs. Arabische Opfer des Nationalsozialismus. In: Gerhard Höpp, Peter Wien und René Wildangel (Hrsg.): Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus. (ZMO-Studien; 19) Berlin: Das Arabische Buch: 215–268.

- Arab Inmates in German Concentration Camps until the End of World War II. In: Wolfgang Schwanitz (Hg.), Germany and the Middle East, 1871-1945. Madrid u.a.: Iberoamericana (Reprinted from Princeton Papers 10 / 11; 2001).

2003
- Salud wa Salam. Araber im Spanischen Bürgerkrieg 1936–1938. In: INAMO 9(2003)33, 53–55

2002
- Zwischen Universität und Straße. Ägyptische Studenten in Deutschland 1849–1945. In: Konrad Schliephake/ Ghazi Shanneik (Hg.), Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ägypten. Würzburg, 31–42

- "Gefährdungen der Erinnerung": Arabische Häftlinge in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. In: asien, afrika, lateinamerika 30(1002)5, 373–386

- Mohammed Essad Bey oder Die Welten des Lev Abramovič Nussenbaum
In:  "Allah ist gross": Niedergang und Aufstieg der islamischen Welt von Abdul Hamid bis Ibn Saud, Munich: Matthes & Seitz, 2002, Pages: 385–414

- Im Schatten des Mondes. Arabische Opfer des deutschen Faschismus. Forschungsbericht. In: Junge Welt, 21./22.12.2002, 10–11

2001
- Mufti-Papiere. Briefe, Memoranden, Reden und Aufrufe AmÍn al-¼usainÍs aus dem Exil, 1940–1945. Berlin: Klaus Schwarz

- In the Shadow of the Moon. Arab Inmates in German Concentration Camps. In: Wolfgang Schwanitz (vol. ed.): Germany and the Middle East, 1871 – 1945. (Princeton Papers – Interdisciplinary Journal of Middle Eastern Studies, Special double issue vol. 10–11 [2001]): 217–240.

- Biographien zwischen den Kulturen: Asis Domet ('Azīz Ḍūmiṭ) und Mohammed Essad. In:  Islamische Welt und Globalisierung. Aneignung, Abgrenzung, Gegenentwürfe / hrsg. Henner Fürtig, Würzburg: Ergon, 2001, Pages: 149–157

2000
- mit Brigitte Reinwald (Hg.): Fremdeinsätze. Afrikaner und Asiaten in europäischen Kriegen, 1914–1945. ZMO-Studie; 13. Berlin: Das Arabische Buch

- Texte aus der Fremde. Arabische politische Publizistik in Deutschland, 1896–1945. Eine Bibliographie. ZMO-Arbeitshefte 18. Berlin: Das Arabische Buch

- Frontenwechsel: Muslimische Deserteure im Ersten und Zweiten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit. In: Ders./ Brigitte Reinwald (Hg.), Fremdeinsätze. Afrikaner und Asiaten in europäischen Kriegen, 1914–1945. Berlin: Das Arabische Buch, 129–141

- Gewaltsame Begegnungen. Muslime als Kombattanten, Gefangene und Überläufer in Deutschland – eine andere Seite des deutsch-türkischen Waffenbündnisses im Ersten Weltkrieg. In: Der Islam 77(2000), 307–318

1999
- Muslim Periodicals as Information Sources about Islamic Life in Germany, 1915–1945. Riyad

- Der Gefangene im Dreieck. Zum Bild Amin al-Husseinis in Wissenschaft und Publizistik seit 1941. Ein bio-bibliographischer Abriß. In: Rainer Zimmer-Winkel (Hg.), Eine umstrittene Figur: Hadj Amin al-Husseini. Mufti von Jerusalem. Trier: AphorismA, 5–23

1998
- Zwischen alle Fronten. Der ägyptische Nationalist Mansur Mustafa Rif'at (1883–1926) in Deutschland. In: Wajih 'Abd as-Sadiq 'Atiq / Wolfgang Schwanitz (Hg.), A'mal nadwat Misr wa Almaniya fi'l-qarnain at-tasi' 'ashar wa'l-ishrin fi dau' al-wathaiq. Kairo: Dar ath-Thaqafa al-'Arabiya, 53–64, 263–273

- Feindbild "Westen". Zur Rolle historischer Zäsuren beim Wandel muslimischer Europabilder seit dem 19.Jahrhundert. In: Henner Fürtig/ Gerhard Höpp (Hg.), Wessen Geschichte? Muslimische Erfahrungen historischer Zäsuren im 20.Jahrhundert. Berlin: Das Arabische Buch, 11–26

1997
- Muslime in der Mark. Als Kriegsgefangene und Internierte in Wünsdorf und Zossen, 1914–1924. ZMO-Studien 6. Berlin: Das Arabische Buch

- Mohammed Essad Bey: nur Orient für Europäer? ([Abstract:] Mohammed Essad Bey: Orient for Europeans?). In:  Asien, Afrika, Lateinamerika, Issue: 25 i, 1997, Pages: 75–97

- Die Schuldigkeit der Mohren. Muslimische Deserteure im Deutschland der Zwischenkriegszeit, 1919–1926. In: Etudes Germano-Africaines (1997/98)15–16, 192–202

1996
- Zwischen-Aufenthalt: Mohammed Essad Bey in Deutschland. Rekonstruktion eines Lebenslaufs. In:  Berliner LeseZeichen, Issue: 4 i-ii, Pages: 55–60

- (Hg. mit Gerdien Jonker): In Fremder Erde. Zur Geschicht und Gegenwart der islamischen Bestattung in Deutschland. ZMO-Arbeitshefte 11. Berlin: Das Arabische Buch

- Die Privilegien der Verlierer. Über Status und Schicksal muslimischer Kriegsgefangener und Deserteure in Deutschland während des Ersten Weltkrieges und der Zwischenweltkriegszeit. In: Ders. (Hg.), Fremde Erfahrungen. Berlin: Das Arabische Buch, 185–210

1995
Ruhmloses Zwischenspiel. Fawzi al-Qawuqji in Deutschland, 1941–1947. In: Peter Heine (Hg.), Al Rafidayn. Jahrbuch zu Geschichte und Kultur des modernen Iraq. Bd.3. Würzburg: Ergon, 19-46

1994
- Muslime unterm Hakenkreuz. Zur Entstehungsgeschichte des Islamischen Zentralinstituts zu Berlin e.V. In: Moslemische Revue 14(1994)1, 16–27

- Arabische und islamische Periodika in Berlin und Brandenburg, 1915–1945. Geschichtlicher Abriß und Bibliographie. ZMO-Arbeiteshefte 4. Berlin: Das Arabische Buch

- Araber im Zweiten Weltkrieg – Kollaboration oder Patriotismus? In: Wolfgang Schwanitz (Hg.), Jenseits der Legenden. Araber, Juden, Deutsche. Berlin: Dietz, 86–92

- Der Koran als "Geheime Reichssache". Bruchstücke deutscher Islampolitik zwischen 1938 und 1945. In: Holger Preißler/ Hubert Seiwert (Hg.), Gnosisforschung und Religionsgeschichte. Marburg: diagonal-Verlag, 435–446

1991
- Zwischen Entente und Mittelmächten. Arabische Nationalisten und Panislamisten in Deutschland (1914 bis 1918). In: asien, afrika, lateinamerika 19(1991), 827–845

Ein Mann der akademischen Sorgfalt. Zum Tod des Islamwissenschaftlers Gerhard Höpp (2003)

Der Arabist und Islamwissenschaftler Gerhard Höpp ist am Sonntag im Alter von 61 Jahren in Berlin verstorben. Bekannt war Höpp als Gelehrter der Geschichte der Araber*innen, darunter der Geschichte von Muslim*innen in Berlin-Brandenburg und im deutschsprachigen Raum. Zuletzt saß er an einem Buch über Essad Bey, einen Biographen des Propheten Mohammed. Höpp studierte Arabistik in Leipzig. Als Assistent promovierte er zum Bürgertum Arabiens. Dann war er Übersetzer beim Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst, bis er 1975 an die Akademie der Wissenschaften ging. Dort habilitierte er sich zur Bewegung der arabischen Nationalisten. Ämter zogen ihn nicht an. Professor wollte er nichtwerden, lenkte aber ein. Als Leiter des Bereiches für Geschichte der Entwicklungsländer widmete er jungen Leuten viel Zeit.  Am Institut für Weltgeschichte forschte er zu Araber*innen und Muslim*innen Mitteleuropas. Das lag auf der Linie einer Leipziger Tradition, die von Lothar Rathmann begründet wurde.  Er träumte davon, in Kairos Bibliotheken herumzustöbern. Indes überraschte ihn der Mauerfall. Mit Westdeutschen kamen neue Aufgaben. Er hat das generell begrüßt. Seinen Reisetraum erfüllte er sich 1996 in Kairo. Abgesehen von einer Fahrt nach Jemen, nahm er jedoch keine Einladungen mehr wahr. Wer ihn kannte, lernte sein enormes Wissen, seine tiefe Liebe zum Fach und seine akademische Sorgfalt schätzen. Er nutzte drei orientalische und die herkömmlichen Sprachen Europas. Glücklich war er, wenn er in Ruhe forschte. Nach der sogenannten Einheit war er am Berliner Zentrum Moderner Orient einer der letzten Ostdeutschen. Jüngst erkundete er das Schicksal von Araber*innen im »Dritten Reich«. Als Nahosthistoriker hat Gerhard Höpp die Geschichte von Muslim*innen in Mitteleuropa im Fach etabliert. Er lebt nicht nur in den Gedanken seiner Freund*innen fort, sondern auch in seinen Werken, darunter ein Berliner Stadtführer für Orientalist*innen.

Grabrede 2003

Sehr geehrte Trauergäste,

Gerhard Höpp kam 1975, vor nahezu dreißig Jahren also, an die damalige Akademie der Wissenschaften. Dort hatte es bis 1969 ein hoch angesehenes Institut für Orientforschung gegeben. Noch im Oktober 1967 hatte es sein zwanzigjähriges Bestehen gefeiert, und Gerhard war dabei: Auf einer aus diesem Anlass veran-stalteten Tagung sprach er über das Verhältnis von Islam und wissenschaftlicher Weltanschauung. Schon zwei Jahre später liquidierte eine Akademie-Reform – der Begriff „Reform“ gewann schon damals einen drohenden Unterton – das Institut. Historiker aus ihm fanden am Zentralinstitut für Geschichte eine neue Bleibe, zunächst in den beiden Arbeitsgruppen Südasien und Naher Osten, dann in einer Abteilung Geschichte der Entwicklungsländer.

Die Ankunft von Gerhard Höpp war für uns ein großer Gewinn. Er galt als vielversprechendes wissenschaftliches Talent, zu Recht, wie sich später zeigen sollte. Er wirkte daran mit, dass die Beschäftigung mit Entwicklungsländern, die es nach ihrer Reform an der Akademie nicht mehr geben sollte, dort eine neue Heimstätte fand, mit Arbeitsergebnissen, die innerhalb wie außerhalb der DDR zunehmend respektiert wurden. Seinen strukturellen Niederschlag fand dieser Wandel in der Gründung eines Wissenschaftsbereichs Geschichte der Entwicklungs-länder, zunächst noch im Zentralinstitut der Geschichte, dann in dem 1986 ins Leben gerufenem Institut für Allgemeine Geschichte. In dem neuen Institut übernahm Gerhard die Bereichsleitung, die er bis zum Ende der Akademie innehatte.

In seinen 15 Jahren an der Akademie war Gerhard wissenschaftlich überaus produktiv. Von den Ergebnissen seines Schaffens ist seine umfangreiche Habilitationsschrift hervorzuheben "Vom Nationalismus zum Sozialismus. Zur Geschichte und Ideologie der 'Bewegung der Arabischen Nationalisten' (BAN) und ihrer Nachfolgeorganisationen, 1948 – 1975", deren Veröffentlichung die Wende leider verhinderte.
An zahlreichen Gemeinschaftsprojekten war er beteiligt, darunter an einem zu Beginn der achtziger Jahre gemeinsam mit sowjetischen Kollegen herausgegebenen und in Moskau und Berlin erschienen Sammelband „Geistige Profile Asiens und Afrikas“, zu dem er selbst einen Beitrag beisteuerte, „Das Vermächtnis von Klassen und Klassenkampf als Gegenstand und Moment ideologischer Auseinander-setzungen in arabischen Ländern“.

Gerhard hielt nichts von Moden in der Wissenschaft, sich abzeichnend im Wechsel der Paradigmen. Sich und anderen gegenüber ehrlich, war ihm auch in der Wissenschaft an Wahrhaftigkeit gelegen. Er wollte einfach wissen, wie Geschichte verlaufen war. Dabei interessierten ihn vor allem die Menschen, die diese gestalteten, ihre Situation, ihr Denken und Handeln, ihre Resultate. Details waren ihm da wichtig. Er wandte viel Zeit und Mühe auf – auch aufwendige Anfahrten zu Archiven und Bibliotheken schreckten ihn nicht ab – um ihm wichtige Einzelheiten herauszufinden. Ideenbewegungen, die er untersuchte – Stichworte: Islam, arabischer Nationalismus, Sozialismus –, suchte er aus konkreten historischen Verhältnissen herzuleiten und zu verstehen. Es gibt international nur wenige Arbeiten, die so gründlich, behutsam und differenziert politisch-ideologische Strömungen im arabischen Raum nachgehen, wie seine Habilitationsschrift. Von seiner Gründlichkeit zeugte eine Fülle an Anmerkungen in seinen Schriften, die für ihn sprichwörtlich war, in Redaktionen indes nicht immer nur Beifall fand.

Die Zusammenarbeit mit Gerhard war für mich, das wird in der Rückschau deutlicher als zuvor, ein ausgesprochener Glücksumstand. Nicht, dass wir uns unablässig mit Komplimenten überhäuft hätten. Es gab durchaus kritische Situationen. Gerhard stellt in seiner wissenschaftlichen Arbeit höchste Anforderungen an sich selbst. Das ließ ihn mitunter über Terminverschiebungen verhandeln. Ihn drängte es nicht – daran hinderte ihn schon seine Bescheidenheit – nach Leitungs-verantwortung; als er sie dennoch ausübte, war sie in hohem Maße durch sein eigenes Vorbild und die Hilfe, die er Kollegen, vornehmlich jungen, angedeihen ließ, geprägt; Anforderungen, denen er sich selbst unterwarf, mochte er indes nicht ohne weiteres an andere zu stellen. Aber gerade diese Kompromisslosigkeit sich selbst und das Verständnis anderen gegenüber befruchteten die kameradschaftliche Zusammenarbeit und beförderten allgemein eine sachliche Arbeitsatmosphäre.

Mit und in der Wende zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geriet die Akademie in eine tiefe Krise, die sich zwei Jahre qualvoll hinzog und zu ihrer Liquidierung führte. Von den Mitarbeitern des Bereichs Geschichte der Entwicklungsländer fand keiner in seinem Beruf eine neue feste Anstellung, wenngleich der Bereich in der Evaluierung nicht schlecht abgeschnitten hatte. Gerhard Höpp, jetzt mit befristeten Projekte befasst, blieb seiner sozialistisch-humanistischen Einstellung treu. In seinen Arbeiten wandte er sich den Geschicken von Menschen zu, die, mit Rassismus, Faschismus und Krieg konfrontiert, zu den Verlierern der Globalisierung gehörten. Außerhalb seiner dienstlichen Verpflichtungen kümmerte er sich darum, dass die ehemaligen Bereichsmitarbeiter Kontakte zueinander aufrechterhielten.
Allen, die ihn näher kannten, hat Gerhard eine Bereicherung ihres Lebens gebracht. In unsere Trauer mischt sich so Dankbarkeit.