Das Projekt „Fortschrittliche Körper: Sport und Moderne in Äthiopien (1920-1974)“
untersucht durch die Linse von Sport und Körperkultur die Prozesse, durch die moderne äthiopische Bürgerinnen und Bürger geformt wurden. Sie nimmt über den sportlichen Körper eine historische Periode in den Blick, die als äthiopische Moderne (zämänawinnät) bezeichnet wird. Die Forschung setzt drei inhaltliche Schwerpunkte. Sie untersucht erstens Denkrahmen, innerhalb derer sich relevante Ideen über den Körper des modernen Bürgers und der modernen Bürgerin entwickeln konnten und etablierte Vorstellungen kritisch hinterfragt wurden. Zweitens werden konkrete Institutionalisierungsprozesse im Bildungs- und Freizeitbereich betrachtet. In diesem Zusammenhang fragt das Projekt nach den konkreten Akteuren hinter den spezifischen Versuchen, der „körperlichen Moderne“ in Äthiopien zum Durchbruch zu verhelfen. Drittens werden die semiotischen Aspekte moderner äthiopischer Körpervorstellungen ins Auge gefasst, die oftmals heftige Debatten über exzessive Modernität auslösten. Das Forschungsprojekt ist die erste systematische Untersuchung zur Geschichte Äthiopiens im 20. Jahrhundert aus der Perspektive von Sport und Körperkultur. Der Fokus auf äthiopische Städte eröffnet die Möglichkeit, Sportpraktiken und ihre zunehmende Institutionalisierung als einen wichtigen Aspekt von Urbanisierung zu betrachten. Durch seinen integrativen Ansatz leistet die Forschung einen konzeptionellen Beitrag zur Verzahnung von Ideengeschichte, körperbetonter Praxis und semiotischer Ausgestaltung in der Untersuchung einer polyzentrischen Moderne.