Ressourcenpolitik

Jeanine Dağyeli

Grundbesitzstrukturen und der Umgang mit Land und Wasser im vorkolonialen und kolonialen Zentralasien sind bislang nur unzureichend erforscht. Dies betrifft sowohl Fragen nach Eigentum- und Besitzrechten wie auch nach Zugang, Nießbrauch, Verfügungsrechten und Inwertsetzung von Land und Wasser in ökonomischer wie religiöser Hinsicht. Ressourcen und Landwirtschaft wurden in vielerlei Hinsicht sakralisiert, insbesondere Wasser und bestimmte Feldfrüchte. Wasser, Feldfrüchte und Landwirtschaft hatten jeweils einen ihnen zugeordneten Schutzheiligen. Unterschiedliche Arten von Wasser wurden semantisch voneinander unterschieden und entsprechend ihrer inhärenten Eigenschaften wie auch ihrer Rolle in der Landwirtschaft wertgeschätzt. Wasser verwandelte Land für Bauern in eine Ressource, während brachliegendes Land nicht nur als unfruchtbar, sondern als Aufenthaltsort für unheilbringende Geister angesehen wurde. Naturkatastrophen wie Erdrutsche oder Überschwemmungen wurden oft als göttliche Intervention aufgrund menschlichen Fehlverhaltens interpretiert. Die Moralökonomie von Land und Wasser und die spirituelle Konzeption landwirtschaftlicher Arbeit umfasste nicht nur Ressourcen, sondern auch soziale und Arbeitsbeziehungen. Abhängigkeiten, hierarchische Beziehungen und selbst Schuldknechtschaft wurden für gewöhnlich hinter einer Terminologie von gutnachbarschaftlichen Verhältnissen und Verwandtschaft verschleiert.