Auf dem Weg nach Damaskus

von Johannes Becker
“Endlich ist Syrien frei, euch allen eine gute Reise!“, wünscht uns der Mann enthusiastisch und überschwänglich, bevor er sich von seiner Mutter verabschiedet, die in das Auto einsteigt, dessen Fahrer uns – zwei Frauen und mich – von Amman nach Damaskus bringen soll. Es ist nun bald vier Monate her, dass die Assad-Diktatur gefallen ist. Während zu Beginn der Reise auch bei mir Euphorie überwiegt und diese nie ganz vergeht, mischt sie sich unterwegs dennoch mit anderen Eindrücken: Erlebnisse bürokratischer Einschränkungen, der Unsicherheit und der Gegenwart der schrecklichen Vergangenheit charakterisieren die Fahrt nach Damaskus, im Laufe derer auch deutlich wird, wie neu, kompliziert oder ungeklärt vieles noch ist – in Bezug auf die Nachbarländer und in Bezug auf die Machtverhältnisse in Syrien selbst.
Zu Beginn lächeln wir zunächst über etwas absurde Vorschriften, die das neu auflebende Reisebusiness zu einer logistischen Herausforderung werden lassen: Jordanische Taxifahrer dürfen momentan nur alle vier Tage (Stand: 3.4.2025) nach Syrien reisen, warum auch immer. Viel einschneidender sind andere Regulierungen: Die jordanischen Verordnungen erlauben es Jordanier*innen gewöhnlicherweise derzeit nicht, über den Landweg nach Syrien einzureisen, sondern nur über den Luftweg, ein äußerst teures Unterfangen (auf jeden Fall teurer als die 100€ für den Platz im Taxi oder 20€ für ein Busticket, von dem es wiederum heißt, dass es momentan nur von syrischen und libanesischen Staatsbürger*innen erworben werden könne).
Die mitreisenden Frauen besitzen beide die jordanische Staatsbürgerschaft. Die so enthusiastisch verabschiedete Mutter hat Glück. Bei ihr wird aufgrund ihres Alters von 73 Jahren nach langen Verhandlungen an der jordanischen Grenze ein Auge zugedrückt, weil sie ihren schwerkranken Bruder in Syrien besuchen will. Sie argumentiert erfolgreich, dass sie eigentlich Syrerin sei, obwohl sie nur ihre Geburtsurkunde und ein Schulzeugnis von dort vorweisen kann. Sie sei jung nach Jordanien verheiratet worden und verfüge daher über keine weiteren syrischen Papiere mehr.
Die andere Frau hat weniger Glück. Als Doppelstaatlerin war sie am Flughafen in Amman mit ihrem jordanischen Pass eingereist. Hätte sie stattdessen ihren niederländischen Pass vorgezeigt, hätte sie weiterreisen dürfen. So wird ihr die Weiterfahrt zu einer Hochzeit in Syrien verweigert. Sie protestiert gegen diese Entscheidung und verwickelt die jordanischen Grenzbeamt*innen in eine lange Diskussion. Diese ist noch im Gange, als der Taxifahrer mich in ein anderes gerade vorbeikommendes Taxi winkt, um mir eine schnellere Weiterfahrt zu ermöglichen.