Verpasste Begegnungen: Geschichten aus dem Notizbuch des Forschenden

Ausstellung mit Beiträgen von Katrin Bromber, Sana Chavoshian, Aksana Ismailbekova, Jasmin Mahazi, Samuli Schielke, Magdalena Suerbaum
Kuratiert von Michael Baers
Sound editing: Mariam Abou Ghazi
Recording, mixing und mastering: Mattin

Die Ausstellung Geschichten aus dem Notizbuch des Forschenden fand vom 29. November bis 15. Dezember 2022 in den Räumen des ZMO statt.

Welche Arten von Informationen sind in der sozialwissenschaftlichen Forschung unzulässig? Das ist teils eine rhetorische Frage, denn Informationen, die während der Feldforschung gesammelt werden, sind keine stabile Quelle, sondern hängen von allerhand Variablen ab: vom Charme und der Diskretion des Forscherenden über die Sensibilität des erforschten Themas bis hin zur politischen Situation im erforschten Land. Die Ausstellung Verpasste Begegnungen: Geschichten aus dem Notizbuch des Forschenden präsentiert mündliche Berichte über die Erfahrungen von Forschenden im Feld, wobei Geschichten hervorgehoben werden, in denen Mitglieder der Forschungsgruppe Lebensalter und Generation am Leibniz-Zentrum Moderner Orient auf Schwierigkeiten stießen. Diese erschwerten es ihnen, die Ergebnisse in ihre Arbeit einfließen zu lassen, oder es gelang den Forschenden nicht, das zu artikulieren, was über Generationen und geografische Distanzen hinweg verloren geht – beispielsweise zwischen Migrant*innen und ihren Heimatgesellschaften. Es kann sich um eine banale Schwierigkeit handeln, wie das Versäumnis, etwas auf Band aufzunehmen (oder zu glauben, man hätte es getan), über Material, das politisch zu sensibel ist, um es zu veröffentlichen, bis hin zur Verzerrung von Ergebnissen, wenn diese einem Fachpublikum vorgestellt werden.

Mit der Idee der fehlenden oder unzulässigen Daten zu arbeiten, bezieht sich indirekt auf allgemeinere Fragen der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Forschungsquellen, auf Hörensagen und auch auf Wissen, das nicht von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird, das geheim bleibt oder in entstellter Form weitergegeben wird. Letzteres betrifft insbesondere die Frage, wie persönliche und kollektive Geschichten im Laufe der Zeit in Mythen, Traditionen oder soziopolitische Machtstrukturen umgewandelt werden. Es bezieht sich aber auch, auf die imaginäre Dimension der Feldforschung mit Menschen, bei der jedes Interview/jede Begegnung doppelt fiktiv ist, nämlich durch die anfängliche Erfahrung des*der Interviewenden und die spätere Erinnerung daran.

Die Ausstellung, die im Lichthof des ZMO gezeigt wird, besteht aus zwei Teilen. Aufgezeichnete Berichte über die Feldforschung einzelner Forschender werden neben "Forschungsartefakten" präsentiert, die im Laufe der Feldforschung gesammelt wurden. Den Blick auf den Forschenden zu richten bedeutet, eine Art Verfremdungseffekt auf die wissenschaftliche Objektivität und den Habitus des Forschenden herzustellen, aber auch mit der fiktiven Gegensätzlichkeit zwischen Fakt und Fiktion zu spielen oder mit dem Unterschied zwischen dem Wunsch des Forschenden, etwas zu lernen, und dem des Forschungssubjekts, etwas mitzuteilen.


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