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Religion, Moral und Boko in Westafrika: Studentische Laufbahnen für ein gutes Leben (Akronym: Remoboko)

Religion, Moral und Boko in Westafrika: Studentische Laufbahnen für ein gutes Leben (Akronym: Remoboko)

Leitung: PD Dr. Abdoulaye Sounaye

Remoboko ist ein Forschungsvorhaben über Religiosität und ihren Einfluss auf säkulare Bildungwege in Westafrika, die in Hausa als boko bezeichnet werden. Es beschäftigt sich mit der gleichzeitigen Präsenz sowie dem Wettstreit und Konflikt zwischen Säkularismus, Salafismus und der Pfingstbewegung auf vier Campus  (Université Abdou Moumouni, Niamey, Niger; University of Ibadan, Ibadan, Nigeria; Université de Lomé, Togo; und Université d'Abomey-Calavi, Bénin). Es untersucht, wie Studierende, die einen Universitätsabschluss anstreben, der ihnen ein besseres Leben sicherstellen würde, sich dem Salafismus und der Pfingstbewegung zuwenden. Die Frage, inwieweit boko in diesem Kontext für die Studierenden sowohl anziehend als auch abstoßend wirken kann, steht im Zentrum dieses Projekts.

In Niger und Nigeria wird boko als moralisch verderblich, kulturell entfremdend und gesellschaftlich unpassend kritisiert. Als Begründung wird häufig eine fehlende Fundierung von boko in religiösen Normvorstellungen angeführt. Die Angriffe der Terrororganisation Boko Haram auf säkulare Schulen veranschaulichen dabei die problematischen Aspekte, die mit boko assoziiert werden und verdeutlichen die dunklen Seiten verschiedener Vereinnahmungen. In ganz Afrika haben Salafisten und Anhänger der Pfingstbewegung Bildungsinstitutionen ins Visier genommen. Sie kritisieren diese Institutionen für Praktiken und Wertvorstellungen, die sie als inauthentisch und gefährlich betrachten. In diesem Kontext lässt sich an verschiedenen Universitäten in Westafrika beobachten, wie Studierende eigenständige religiöse Akteure geworden sind, die Vorstellungen von ‚einem guten Leben‘ und Vorstellungen einer studentischen Laufbahn für sich in Frage stellen und neu definieren.

Bedeuten diese Dynamiken eine De-Säkularisierung der Wissenschaft? Wie beeinflusst dieser Prozess das „Säkulare“, das sowohl Anspruch als auch Methodik der Wissenschaftsinstitution Universität geprägt hat? Was ist der Effekt dieser Entwicklungen auf die Universität als Institution der Ausbildung, des kritischen Denkens, der Wissensproduktion und der Sozialisation? Wie können die Förderung von kritischem Denken und Aufklärung mit religiös-absoluten Gewissheiten vereinbart werden? Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf die Einstellung der Studierenden gegenüber ihrer akademischen Ausbildung, auf ihre Interaktion sowohl untereinander als auch mit Lehrkräften sowie auf Geschlechterverhältnisse und universitäre Regelungen? Wie handhaben universitäre Autoritäten Diversität und Pluralismus, aber auch Konkurrenz, Spannungen und offene Konflikte, die solche Entwicklungen mit sich bringen Wie bestimmt dies die Erfahrung, ein/e Student*in, ein/e gute/r Muslim*in oder ein gute/r Christ*in zu sein? Wie tragen die Heilsversprechen, die die Salafisten und Pfingstler anbieten, für das Verständnis eines guten Lebens bei?

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Dynamik an Universitäten entstanden ist, die zuvor von linken Bewegungen und säkularen Weltbildern (Marxismus-Leninismus, Maoismus, Laizismus) dominiert wurden. Aus diesem Grund beschäftigt sich dieses Projekt neben Aspekten, die mit der Koexistenz von Salafisten und Pfingstlern auf dem Campus zusammenhängen, mit der übergreifenden Frage der Neubestimmung des Studierenden als ein intellektuelles und soziokulturelles Modell. Während die Universität diesen Wandlungs- und Transformationsprozess durchläuft, ist es ein Hauptziel des Projekts zunächst die Neuverflechtung religiöser Traditionen untereinander und erst dann zwischen dem Religiösen und dem Säkularen zu verstehen.

Remoboko ist eine Leibniz-Junior Research Group und läuft von Juni 2018 bis Mai 2023. Sie sitzt am Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) wird mit Fördermitteln des Leibniz-Wettbewerbs finanziert.

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen:

Projektkoordination:

Blog

Auf unserem Blog finden Sie weitere Informationen über das Projekt und die Forschenden, aber auch über Veranstaltungen, Workshops und Call for Papers:

https://remoboko.hypotheses.org/ 

Drei Fragen an...

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Drei Fragen an Bello Adamou Mahamadou. Weitere Interviews und Videos sind auf dem YouTube Kanal zu finden.

Islam West Africa Collection

Neben seinem Forschungsprojekt arbeitet Dr. Frédérick Madore an der Islam West Africa Collection. Dabei handelt es sich um  eine gemeinschaftliche, frei zugängliche digitale Datenbank, die derzeit mehr als 5.000 Archivdokumente, Zeitungsartikel, islamische Publikationen verschiedener Art, Audio- und Videoaufzeichnungen, Fotografien und Referenzen zum Islam und zu Muslimen in Burkina Faso, Benin, Niger, Nigeria, Togo und Côte d'Ivoire enthält. Dieses von der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege finanzierte Projekt ist eine Fortsetzung der preisgekrönten Sammlung Islam Burkina Faso, die 2021 in Zusammenarbeit mit der University of Florida (USA) erstellt wurde.

Workshop: "Religion in Higher Educational Institutions in Africa and Beyond: (Re)Conversion, Power, and Authority from a Comparative Perspective" (16.-17. November 2021)

Der Martin Luther King English Club

Bello Adamou Mahamadou forscht zu religiösen Dynamiken und der Interaktion zwischen Religion und Sekularität an der Abdou Moumouni Universität Niamey, Niger. Im Zuge dessen stieß er auf den Martin Luther King English Club. Der Club organisiert Englisch-Lernkurse, an denen auch amerikanische Evangelist*innen teilnehmen. Sie nutzen diese Lernveranstaltungen, um ihre evangelistischen Botschaften an die teilnehmenden Schüler*innen zu verbreiten. So versuchen sie die Studierenden davon zu überzeugen, sich zu bekehren. Die Evangelist*innen nehmen auch an anderen Aktivitäten teil, die der Club organisiert, wie z. B. Gesundheitsvorsorge, Besuche, Schulungen zur persönlichen Weiterentwicklung usw.

Videobericht von der Konferenz "From Senegal to Nigeria: The Modernity of Islam in West Africa", 19.-23. November 2019 in Niamey, Niger.

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Die mit dem Islam zusammenhängenden soziopolitischen Entwicklungen in Westafrika haben nicht nur Schlagzeilen gemacht, sondern sind auch in den Mittelpunkt der Untersuchung des heutigen Afrikas und der muslimischen Gesellschaften gerückt. Dies liegt zum Teil daran, dass sie ungewohnte, auch gewaltsame Aneignungen des Islams ans Licht gebracht haben. Wie sind diese Prozesse zu verstehen? Was sind ihre historischen und kulturellen Hintergründe? Auf welche Modernität des Islam und der muslimischen Gesellschaften machen sie aufmerksam? Durch die vorrangige Betrachtung einer regionalen Perspektive und der verwickelten Geschichte des Islams in dieser Region, insbesondere in Bezug auf den Nahen Osten, Nordafrika und zunehmend die Türkei, beleuchtete der Workshop die verschiedenen Dynamiken, die den heutigen Islam und das muslimische Leben in der Region prägen. Die Konferenz bot nicht nur eine vergleichende Betrachtung des Islams, sondern auch die Gelegenheit, über die Transformationen, Kontinuitäten und Brüche innerhalb dieser Wege des Islams in der Region nachzudenken.

Die Konferenz wurde von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihrer Initiative "Knowledge for Tomorrow – Cooperative Research Projects in Sub-Saharan Africa" gefördert. Die Konferenz förderte die institutionelle Zusammenarbeit zwischen dem Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) und dem in Niamey ansässigen Forschungsinstitut LASDEL. Die Konferenz zielte auch darauf ab, jüngere Wissenschaftler*innen aus Westafrika, vor allem Doktorand*innen und Post-Docs, zu fördern, indem sie die Möglichkeit erhielten, ihre Arbeit und Forschung zu präsentieren und zu diskutieren, eine gewisse Sichtbarkeit für ihre Forschung zu schaffen und sich mit anderen jungen Forschern international zu vernetzen.