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Dogan, Ali

Die außerordentliche Handlungsebene der Nachrichtendienste

2022

ZIB Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 29, 2

p. 102-121

DOI: doi.org/10.5771/0946-7165-2022-2-102
Abstract

Dieser Artikel bietet einen neuen theoretischen Ansatz für die Nachrichtendienstforschung. Basierend auf der Ideengeschichte der Staatsräson, argumentiere ich, dass außerordentliche nationale und transnationale Aktivitäten der Nachrichtendienste durch den inneren gesetzesfreien Kern des staatlichen Handelns ermöglicht werden. Die Staatsräson bietet einen konzeptionellen Rahmen für die Interpretation der Existenz von Nachrichtendiensten als einer außerordentlichen Regierungstechnik moderner Staaten. Aufgrund der permanent möglichen Begründung auf die Notwendigkeit Ihres Auftrags können Nachrichtendienste paradoxerweise Gesetze ignorieren, um sie zu erhalten. Die Ideengeschichte der Staatsräson erklärt die Existenz dieser außerordentlichen Ebene des staatlichen Handelns, welche ich in diesem Artikel durch die Heranziehung der Konzepte von Schmitt, Meinecke, Foucault, Agamben und Bigo genauer veranschaulichen werde. Die Ideengeschichte der Staatsräson erlaubt uns, die internationalen Operationen und Kooperationen der Nachrichtendienste und das Wesen der Geheimhaltung gegenüber der Öffentlichkeit besser zu verstehen. Hierzu liefere ich sowohl Beispiele aus der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes als auch der Zusammenarbeit des BND mit dem irakischen Auslandsnachrichtendienst während des Kalten Kriegs.

This article offers a new theoretical approach to intelligence studies. Based on the intellectual history of the reason of state, I argue that exceptional national and transnational activities of the intelligence services are enabled by the inner lawless core of state action. The reason of state provides a conceptual framework for interpreting the existence of intelligence agencies as an exceptional governmental technique of modern states. Because of the permanently possible justification on the necessity of their mission, intelligence agencies can paradoxically ignore laws in order to preserve them. The intellectual history of the reason of state explains the existence of this realm of exceptional action. I illustrate the realm of exceptional action by drawing on the concepts of Schmitt, Meinecke, Foucault, Agamben, and Bigo. The intellectual history of the reason of state allows us to better understand the international operations and cooperations of intelligence agencies as well as the nature of secrecy vis-à-vis the public. I provide examples from the work of the Bundesnachrichtendienst (BND) as well as the BND’s cooperation with Iraq’s Foreign Intelligence Service during the Cold War.