Florian Coppenrath – Geschichtsbilder

Die Wirtschaft der Hip-Hop-Musikproduktion in Bischkek, Kirgistan (1990er–2021)

Florian Coppenrath

Das vorliegende Promotionsprojekt untersucht die Hip-Hop-Musik-Gemeinschaft in Kirgistans Hauptstadt Bischkek, mit einem Schwerpunkt auf der Musikproduktion und ihrem Kontext. Zu den relevanten Akteur*innen gehören neben Musikschaffenden wie Rapper*innen und Beatmaker*innen auch andere Personen, die an der Produktion oder dem Vertrieb von Musik beteiligt sind, wie Tontechniker*innen, Manager*innen und „Hip-Hop-Unternehmer*innen“. Ich betrachte die Hip-Hop-Musik in Bischkek als eine „Kunstwelt“, in der das Musikmachen eine inhärent kollektive Tätigkeit und eine Form der „kreativen Arbeit“ ist.

Das Projekt befasst sich mit den folgenden Fragen: Wie engagieren sich Einzelpersonen im Bereich der Hip-Hop-Musik über einen längeren Zeitraum? Wie organisieren sie ihre kreative Arbeit in diesem Bereich? Wie beteiligen sie sich an der Strukturierung der Hip-Hop-Musikwirtschaft in Bischkek und welche Folgen hat dies für die kreative Arbeit der Einzelnen?

Die Studie baut auf einer Reihe von Arbeiten auf, die sich mit den Arbeitsbedingungen des künstlerischen und musikalischen Schaffens befassen und künstlerische Tätigkeit als Arbeit begreifen. Hip-Hop-Musik in Bischkek ist ein besonders interessanter Fall, da es sich um eine relativ leicht zugängliche künstlerische Form in einer musikalischen Peripherie handelt, weit entfernt von den vorherrschenden Kulturströmen und Musikindustrien. Die Bedingungen der Hip-Hop-Musikproduktion in Kirgistan passen daher besonders gut zu einer wachsenden Forschung über „Musikökonomien“ in Afrika und allgemeiner zur so genannten ‚Do-it-yourself‘-Selbstorganisation unabhängiger, peripherer Musikkollektive.

Indem ich die Hip-Hop-Gemeinschaft in Bischkek als Einzelfallstudie betrachte, verfolge ich einen historiografischen Ansatz und beobachte die Entwicklung der Hip-Hop-Musikproduktion und -distribution in Bischkek in den letzten 30 Jahren. Dies ermöglicht es mir, Vergleiche über die Zeit zu ziehen, die Auswirkungen des technologischen Wandels zu beschreiben und die längerfristigen Entwicklungen von Individuen und Kollektiven sowie den soziopolitischen Wandel in Kirgisistan in die Analyse einzubeziehen.

Das Forschungsprojekt stützt sich auf ethnographische Daten, die während eines insgesamt 13-monatigen Forschungsaufenthalts zwischen Mai 2019 und November 2021 erhoben wurden. Dazu gehören rund 100 halbstrukturierte Interviews mit aktiven und ehemaligen Hip-Hop-Musikmacher*innen, Tontechniker*innen und kreativen Unternehmer*innen sowie informelle, nicht aufgezeichnete Gespräche und Notizen aus teilnehmender Beobachtung an Orten der Musikproduktion (vor allem Aufnahmestudios und Filmsessions) und Performance. Ergänzt werden diese Daten durch zahlreiche verfügbare Interviews Dritter und Nachrichtenberichte aus lokalen Medien und Online-Medien, sowie durch verfügbares Material aus Internetforen, die Social-Media-Aktivitäten relevanter Akteur*innen und Spuren inaktiver spezialisierter Websites im Internetarchiv.


  • Foto 1: „Break, Rap ist Kraft, Rock ist ein Grab!“ - Inschrift im 12. Mikrodistrikt in Bischkek. © Florian Coppenrath
  • Foto 2: Der Rapper Belyi bei der Aufnahme eines Live-Videos in Bischkek im Dezember 2019. © Florian Coppenrath

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