Verschmutzung, Vertreibung und Zerstörung: Ländliche Ökologien und Krieg in Irak und Syrien
Anhand empirischer Beispiele aus den Regionen Afrin (Syrien) und Duhok (Irakisch-Kurdistan) untersucht dieses Projekt die Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf ländliche Ökologien im Nahen Osten. Bewaffnete Konflikte in der Region haben nicht nur städtische Zentren zerstört, sondern auch ländliche Räume entscheidend verändert. Brennende Getreidefelder und abgeholzte Obstbäume; von Munitionsrückständen verschmutztes Wasser oder Weiden, die durch Minen und nicht explodierte Munition zu tödlichen Gefahren werden: Jahre der Gewalt haben nicht nur verheerende Auswirkungen für die menschliche Bevölkerung haben, sondern verursachen auch erhebliche und oft dauerhafte Schäden an der natürlichen Umwelt.
Die Unmittelbarkeit und Plötzlichkeit solcher Kriegswunden greift in weiträumigere zeitliche Skalen ein: Gewaltsame Konflikte können ältere ökologische Beziehungen stören, die oft seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten lokalen Landschaften eingeschrieben sind und menschliche und nicht-menschliche Akteure miteinander verbinden.
Auf der Grundlage von Feldforschungserfahrungen vor Ort, Gesprächen mit (vertriebenen) Bewohnern der oben genannten Regionen, veröffentlichter Berichte sowie Debatten und Beiträge in sozialen Medien, fragt dieses Projekt: Wie verändern Konflikte, Kriegsführung und Gewalt ländliche Räume, beispielsweise durch neue Landnutzungsmuster, Abholzung von Wäldern und Bäumen oder die Verschmutzung von Wasserquellen? Wie wirken sie sich auf Vieh, Vegetation oder Wildtiere aus - und wie werden diese Veränderungen von den Menschen vor Ort erlebt, reflektiert und diskutiert? In welchem Verhältnis stehen diese Transformationen zu älteren Mustern wirtschaftlichen Wandels, sozialer Spaltung oder politischer Konflikte –inwieweit stellen sie entscheidende und vielleicht irreversible Brüche dar?
Die beiden Regionen, aus denen empirische Beispiele stammen, sind von politischen Konflikten geprägt, die sich auf ethnisierte soziale Grenzen beziehen und kurdische Bemühungen um politische Autonomie inmitten anderer (arabischer, türkischer) politischer Projekte widerspiegeln. In diesen Kontexten können Eingriffe in landwirtschaftliche Praktiken oder Landnutzungsmuster unter Verweis auf politische oder militärische Zwänge gerechtfertigt oder kritisiert werden. Darüber hinaus können sich verändernde Mensch-Umwelt-Beziehungen in diesen Situationen symbolisch aufgeladen werden, indem bestimmte Kulturen, Lebensstile oder Praktiken rhetorisch mit "Tradition" und somit sozialen (ethnischen) Identitäten in Verbindung gebracht werden. Umgekehrt können gewaltsame Störungen ländlicher Lebensweisen nicht nur als Gefährdung individueller Lebensgrundlagen, sondern auch als Bedrohung solcher Identitäten angesehen werden. In diesen Situationen können Begriffe von "Gerechtigkeit" auf vielfältige Weise von Bedeutung sein, auch wenn sie oft eher implizit als explizit angesprochen werden.
Illustrationen: 123comics, lizenziert unter CC BY-NC-ND.