Kampf um vermintes Gebiet: Historische Kontingenz im Nachgang der marokkanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission
Seit Mitte der neunziger Jahre findet in Marokko eine schrittweise Revision der post-kolonialen Geschichte des Landes statt, die eng mit der Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen unter Hassan II. verbunden ist. Ein wichtiger Schritt zur breiteren öffentlichen Debatte um die sogenannten „bleiernen Jahren“ war die Einrichtung einer Wahrheitskommission im Jahr 2004. Diese Kommission hat in ihrem fünf-bändigen Abschlussbericht eine Vielzahl von wichtigen Empfehlungen für die Zukunft ausgesprochen, die nun vom Conseil National des Droits de l’Homme (CNDH) umgesetzt werden sollen. Mit mehreren hundert Mitarbeitern und in Kooperation mit der Europäischen Union werden verschiedene Projekte durchgeführt, die der kollektiven Wiedergutmachung sowie dem Erhalt und der Sicherung von Dokumenten jener Zeit dienen. Dies hat – so lautet die Hypothese des Projekts - dazu geführt, dass auch die Zeitgeschichte (at-tarikh ar-rahin) neu verhandelt wird. Die Einführung des ersten Masterstudiengangs für Zeitgeschichte in 2010 an der Universität Rabat, die Eröffnung des ‚Archives du Maroc’ unter Leitung des renommierten Historikers Prof. Jamaa Baida im Juni 2013 sowie eines Institut du temps présent oder die Konzeption lokaler Museen als Teil der kollektiven Wiedergutmachung zeugen von dem Versuch die Grundlagen zu einer Neubewertung der Geschichte zu schaffen.